Medienmitteilung LF31

«Nachhaltiges Gesundheitswesen – Prämienfrust oder Gesundheitslust?» 31. Lifefair Forum diskutiert neue Finanzierungsmodelle für ein nachhaltiges Gesundheitswesen in der Schweiz.

Zürich, 4.7.2018 – Das Schweizer Gesundheitssystem gehört zu einem der besten weltweit. Es steht aber vor grossen Herausforderungen angesichts einer stetig voranschreitenden Alterung der Gesellschaft, einer Zunahme chronischer Krankheiten und des damit einhergehenden steigenden Kostendrucks. Ein hoher Komplexitätsgrad und eine Vielzahl von Akteuren erschweren es, eine klare Linie für ein nachhaltiges Gesundheitswesen festzulegen. Das 31. Lifefair Forum mit rund 200 Teilnehmern im Forum St. Peter der Credit Suisse in Zürich hat Anforderungen und Lösungsansätze hierfür aufgezeigt. Der aktuelle Prämienfrust über stetig steigende Krankenkassenbeiträge liesse sich in eine «Gesundheitslust» verwandeln, wenn der Mehrwert der Medizin für den einzelnen Patienten und für unsere Volkswirtschaft als Ganzes transparent gemacht wird. Dies muss Basis aller Überlegungen sein, um ein nachhaltiges Gesundheitssystem in der Schweiz zu etablieren. Ebenso bedarf es auch innovativer Ansätzen zur Reduktion von Kosten und neue Finanzierungsmodelle jenseits der bestehenden Strukturen.

Dass die Verankerung von Nachhaltigkeits-Zielen im Gesundheitswesen ein Thema mit grossem Potential ist, zeigten bereits die Einführungsvorträge der Veranstaltung auf. Dr. med Brida von Castelberg, Vize-Präsidentin der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz mahnte an, dass ein Überblick über die langfristige Wirksamkeit medizinischer Massnahmen fehle. Die Bedürfnisse des Patienten müssten oft hinter den administrativen Zwängen des Gesundheitssystems zurückstehen. Als Ausdruck dieses «Misstrauenssystems» konstatierte sie, dass Ärzte rund 70 Prozent ihrer Arbeitszeit für administrative Tätigkeiten aufwenden. Mit lediglich 15 bis 20 Prozent der Einnahmen trüge das Gesundheitswesen zur Gesundheit der Bevölkerung bei, der Rest fliesse in Themen wie Umwelt, Genforschung, Lebensweise oder Ernährung.

Dr. Monika Jänicke, Vorsitzende der Geschäftsleitung Novartis Pharma Schweiz AG zeigte in ihrem Impulsreferat auf, dass digitale Technologien und Data Science ein enorme Potenzial bergen, ein neues Kapitel in der Geschichte medizinischer Innovationen aufzuschlagen. Personalisierte Krebstherapien, eine dank Digitalisierung einfache Selbstvermessung oder die Unterstützung medizinischer (Präventions-) Therapien durch eHealth seien neue, vielversprechende Ansätze. «Immer besser» bedeute dabei aber nicht automatisch «immer billiger», sondern vielmehr oft auch steigende Kosten. Die entscheidende Frage sei, ob sich diese noch mit bekannten Modellen finanzieren lassen oder es neuer Finanzierungsansätze, wie z.B. «Pay for Performance-Modelle», bedürfe.

Panel-Diskussion: den Nutzen der Medizin für den Patienten und die Volkswirtschaft besser darlegen

Das Panel mit Dr. Fridolin Marty, Leiter Gesundheitspolitik economiesuisse, Verena Nold, Direktorin santésuisse, Marcel Plattner, CEO Gebro Pharma AG und Dr. Stefan Spycher, Vizedirektor im Bundesamt für Gesundheit (BAG) und den beiden Keynote-Speakerinnen stellte sich der Frage nach den grössten Herausforderungen für ein nachhaltiges Gesundheitswesen in der Schweiz. Die Runde konstatierte, dass das Preisthema das Damoklesschwert der Zukunft des Schweizer Gesundheitssystem sei. Auch wenn die Kosten gut erfasst seien, verengte eine einseitige Kostenbetrachtung die Diskussionen und vernachlässige den Nutzen von Massnahmen für Patienten und die Volkswirtschaft.

Der Beurteilungs-Massstab, ob eine medizinische Massnahme wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist, müsse klarer definiert werden. Neue Ansätze sollten neben den direkten Kosten der Medizin auch indirekte Kosten erfassen. So ist es für eine gesamtwirtschaftliche Erfassung des Nutzens einer Massnahme relevant, wenn z.B. ein Patient infolge einer schnelleren Heilung früher an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann oder dank wirksamer Medikamente gegen Demenz, die ihre Eltern pflegenden Kinder entlastet werden und am Erwerbsleben teilhaben können.

Mit smarten Initiativen zu mehr Nachhaltigkeit

Initiativen wie «Smarter Medicine» (www.smartermedicine.ch) bieten gute Ansätze. Sie wollen dafür sensibilisieren, dass bei bestimmten Behandlungen weniger Medizin mehr Lebensqualität für die Betroffenen bedeuten kann. Eine gemeinsame Festlegung auf eine klare Stossrichtung sei durch das bestehende Silo-Denken vieler Akteure eine große Herausforderung. Ein Beispiel dafür, wie Alternativen aussehen können ist «Managed Care». Das in China praktizierte Modell, bei dem jeder Arzt pro Jahr einen fixen Betrag pro Patient erhält und mit Prophylaxe und passgenauen Therapien seine Patienten gesund hält, scheiterte in der Schweiz im Jahre 2012 bei einer Volksabstimmung. Um bestehende Systemfehler wie falsche Anreizsysteme für Ärzte, Apotheker und Krankenkassen zu korrigieren, sei es wichtig, dass auch Patienten und Bürger den Nutzen von Therapien und Interventionen besser verstehen lernten.

Sensibilisierung und Bildung ist die beste Prävention

Insgesamt waren sich die Teilnehmer einig: Bildung ist die beste Prävention für kostenreduzierende Langzeit-Effekte, etwa, wenn das regelmässige Zähneputzen schon im frühen Kindesalter zur täglichen Routine wird. Hier müsse auch ein Schwerpunkt auf Themen wie eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung gelegt werden.

Die komplexen Zusammenhänge im Gesundheitssysteme erschwerten das Finden einer einfachen Lösung. Die Expertin Dr. med. Yvonne Gilli, Mitglied im Zentralvorstand FMH brachte es in ihrer Zusammenfassung des Abends auf den Punkt: Je früher der Mensch in seinen unterschiedlichen Rollen – als Patient, als Pflegender, als Arzt – in die Lösungsfindung einbezogen wird, desto nachhaltiger kann das Gesundheitssystem gestaltet werden. Denn im Kern wird nicht mit Produkten gehandelt, sondern es geht um das Wohlbefinden einer Gesellschaft, von Mensch zu Mensch. Zuversichtlich stimmten die Teilnehmenden auf dem Podium, dass die vertretenden Akteure mit viel Nachdruck an neuen Strategien arbeiten. So verfolgt alleine das Bundesamt für Gesundheit diese Zielrichtung mit aktuell rund 80 Projekten. Das gleiche gilt für die vielen neuen medizinischen Innovationen, die sich in der Pipeline von Herstellern befinden.

Zum Hintergrund

Die Lifefair Foren werden organisiert von der Lifefair GmbH, der Plattform für Nachhaltigkeit. Viermal jährlich diskutieren hochkarätige Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Non-Profitorganisationen und Zivilgesellschaft wirtschafts- und praxisnahe Fragestellungen. Inhaltlich sind die Foren eng mit dem Swiss Green Economy Symposium (SGES) verknüpft und gehen der Grundsatzfrage nach: Wie wird die Wirtschaft nachhaltiger – und wie wird Nachhaltigkeit wirtschaftlicher? www.forum. lifefair.org.

Kommende LifeFair Foren:

– «Kreislaufwirtschaft» — 1. Oktober 2018

– «Biodiversität» — 12. November 2018

Neben den Lifefair Foren organisiert Lifefair einmal im Jahr das Swiss Green Economy Symposium (SGES) (www.sges.ch), den umfassendsten Wirtschaftsgipfel für ganzheitliche Nachhaltigkeit. Er zeigt ganz praktisch, wie nachhaltiges Wirtschaften sich für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt gleichermassen lohnt. Entscheider, Umsetzer und Trendsetter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und NGO’s treffen sich hier jährlich zum konstruktiv-kritischen Dialog. Der Austausch über Innovationen, Erfolgsgeschichten und neue Lösungsansätze fördern das konkrete Handeln. Inhaltlich orientiert sich der Wirtschaftsgipfel an der Nachhaltigkeitsagenda 2030 der UNO. Mit einer maximalen Dichte an Content und Innovation hat er sich innerhalb weniger Jahre zum bedeutendsten Praxis-Gipfel mit zunehmend internationaler Ausstrahlungskraft entwickelt. Die rund 1000 Teilnehmenden profitieren von hochkarätigen Referaten. In vertiefenden Fachveranstaltungen erhalten sie direkt anwendbare Strategien, Erfolgsrezepte sowie Tipps und können sich persönlich vernetzen.

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